Text und Fotos: Thorsten Krebs

Kommunalpolitik aus erster Hand: Besuch bei Bürgermeister Dr. Hell

Um politische Zusammenhänge nicht nur theoretisch zu analysieren und zu diskutieren, sondern auch Eindrücke aus der politischen Praxis zu erhalten, besuchten 16 Schülerinnen und Schüler des Begabungskurses „Politik aktuell“ den Marktoberdorfer Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell (CSU). Eine 90-minütige Frage- und Diskussionsrunde im Sitzungssaal des Stadtrates (mit Mikrophon!) machte – dank der sehr anschaulichen und praxisnahen Erläuterungen und Beispiele von Dr. Hell – den politikinteressierten Jugendlichen aus Marktoberdorf, Kaufbeuren und Füssen deutlich, wo politische Beteiligung beginnt: bei der „Graswurzel-Arbeit“ in der eigenen Kommune.

Informationen zu politischen Vorhaben und Besonderheiten der Kommunalpolitik

In der Diskussion kamen die verschiedensten Themen zur Sprache: Wie setzt sich der Haushalt der Stadt Marktoberdorf zusammen? Welche baulichen Investitionen sind in der Kreisstadt geplant? Wie viele Mitarbeiter hat die Stadtverwaltung? Neben konkreten Vorhaben wie dem geplanten Bau eines Busbahnhofs interessierten sich die Schüler auch für die Mechanismen der politischen Auseinandersetzung in der Kommunalpolitik:

Sachargumente statt Fraktionszwang

Im Gegensatz zur „großen“ Bundes- oder Landespolitik gibt es im Marktoberdorfer Stadtrat keine „Regierungsmehrheit“, sondern Dr. Hell muss als Bürgermeister für jeden Beschluss eine Mehrheit im Stadtrat finden – dabei spielt es keine Rolle, von welcher Partei die Stimmen kommen, solange die absolute Mehrheit von 13 Stimmen (bei 24 Stadträten und einer Stimme des Bürgermeisters) erreicht wird. Fraktionszwang gibt es keinen, sodass im Marktoberdorfer Stadtrat die Sachargumente im Vordergrund stehen und Parteipolitik so gut wie keine Rolle spielt. Das zeige sich auch, so der Bürgermeister, im heterogenen Abstimmungsverhalten seiner eigenen Partei, die keineswegs immer geschlossen für seine Anträge stimme. Schnell fanden die Schüler heraus, dass knappe Mehrheiten in der Stadtpolitik nicht immer von Vorteil sind, denn sie lassen auch auf eine ziemlich gespaltene Bürgerschaft in der betreffenden Frage schließen. Besser sei es hier, bestätigte Dr. Hell, von vornherein Lösungen zu finden, mit der möglichst viele Stadträte mitgehen könnten. Denn dann sei davon auszugehen, dass auch eine breite Mehrheit der Marktoberdorfer Bevölkerung die Entscheidungen langfristig akzeptiert. Dazu gibt es im Vorfeld von Stadtratssitzungen immer eine Besprechung der Fraktionsvorsitzenden, die dabei Bedenken und Alternativvorschläge der sechs Marktoberdorfer Stadtratsfraktionen (CSU, Freie Wähler, SPD, Stadtteile aktiv, Bündnis ´90/ Die Grünen, Bayernpartei) einbringen und sich untereinander abstimmen. Natürlich ist man sich da keineswegs immer einig - das liegt in der Natur der Demokratie - , weshalb es mitunter bei den Stadtratssitzungen schon einmal emotional zugehe. Die Diskussionen verliefen aber immer aber fair und seien der Regel sehr sachlich und konstruktiv, sagte der seit 2014 amtierende Bürgermeister.

Große Bedeutung von ehrenamtlichen Engagement und politischem Interesse für die Demokratie

Neben organisatorisch-institutionellen Themen interessierten die Schülerinnen und Schüler auch ganz praktische Fragen: Wie viel verdient man als Bürgermeister einer Kreisstadt mit 18.000 Einwohnern, wie hoch ist das Arbeitspensum und wie ist es, sich im Wahlkampf mit fünf anderen Kandidaten zu messen?
Am Ende der Runde bedankte sich der Kurs für den anderthalbstündigen, höchst kurzweiligen und praxisnahen Politikunterricht außerhalb des Klassenzimmers. Dr. Hell zeigte sich angetan vom großen Interesse der Schülerinnen und Schüler und appellierte an sie, interessiert und offen für politische Themen zu bleiben und sich als Bürger in vielfältiger Form zu engagieren: sei es als politisch Handelnde, im Ehrenamt oder schlicht als kritisch-konstruktiver Begleiter der politischen Prozesse in der Heimatstadt. Denn nur dann bleibe sie so lebenswert wie sie es heute ist.