Fotos: Hanns Krebs

Ein moderner Klassiker - zeitgemäß adaptiert:  Die Theatergruppe spielt "Die Physiker"

Nach „Biedermann und die Brandstifter“ im Jahr 2019 und dem „Eingebildeten Kranken“ 2020 hat die Theatergruppe des Gymnasiums Marktoberdorf mit Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ ein weiteres Highlight der Theaterinszenierungen an unserer Schule gesetzt. In drei jeweils ausverkauften Vorstellungen haben die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler von der 6. bis zur 12. Klasse Dürrenmatts tragikomisches Drama mit großer Energie, Leidenschaft und Kreativität, mit viel Witz und noch mehr Engagement auf die Bühne gebracht.

Schwierige Probenbedingungen im Pandemiejahr 2021

Der Weg dahin war nicht ganz einfach: Mehr als ein halbes Jahr musste das zum Teil neu gebildete Ensemble online per Zoom-Konferenz proben, sich erst einmal gegenseitig kennen lernen, das Stück durchdringen, Inszenierungsideen und Regieeinfälle diskutieren und die zum Teil sehr langen Dialoge und Monologe proben. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis: Das großartige Ensemble schaffte es mit beeindruckender Professionalität, den skurrilen Charakteren Dürrenmatts Leben einzuhauchen und der Botschaft des Stücks gerecht zu werden: „Man darf nie aufhören, sich die Welt vorzustellen, wie sie am vernünftigsten wäre.“

Zeitlose und zeitgemäße Botschaft des Stücks: Nie aufhören, sich die Welt vorzustellen wie sie am vernünftigsten wäre.

Gerade in diesen Zeiten des globalen Wandels und der Bedrohung unseres Lebensraums Erde ein Gedanke, der nicht laut genug verkündet werden kann. Auch wenn Dürrenmatts moderner Klassiker auf die Rolle der Wissenschaft im Kalten Krieg gemünzt ist, die er mit den „Physikern“ warnt, die Erde zu gefährden, so gilt die Botschaft, auf unseren einzigartigen Planeten gut aufzupassen, auch in Zeiten des Klimawandels unverändert – ein Grundgedanke, den die Inszenierung beispielsweise in einem vielstimmigen, zu Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein aufrufenden Prolog aufgreift.

Tolle schauspielerische Leistungen und gelungene Regieeinfälle

Diese Botschaft wurde dank einer Vielzahl von gelungenen Regieeinfällen trotz der Länge des Stücks äußerst kurzweilig und humorvoll transportiert. Das lag vor allem an den beeindruckenden schauspielerischen Leistungen: Anastasiia Abielian (Abiturjahrgang 2021) brillierte hintergründig als Ernst Heinrich Ernesti, genannt Einstein, Samuel Vaupel (Q12) führte mit Witz und Chuzpe als Herbert Georg Beutler, genannt Newton, fast schon im Stile eines Conférenciers durch das Stück und Anna Büchele (10g) füllte die zentrale Rolles des Johann Wilhelm Möbius mit enormer Bühnenpräsenz und Strahlkraft aus. Ronja Rönnberg (Q12) war eine herrlich zynische Institutsleiterin Doktor Mathilde von Zahnd, bei der man nicht weiß, was gefährlicher ist: ihr korrupter Charakter, ihre intriganten Manipulationen oder der Wahnsinn, der am Ende aus ihr herausbricht. Linda Philipp (10g) verkörperte resolut und Respekt gebietend die Oberschwester Marta Boll, Frieda Krebs (7g) überzeugte in der Rolle der Frau Missionar Lina Rose vor allem durch ihre souveränen, gleichwohl Mitgefühl erweckenden Erklärungen zum Hintergrund der Familie Möbius ebenso wie Michaela Straub (10g) als ihr neuer Ehemann. Alle Schauspielerinnen und Schauspieler beherrschten ihre Rollen und Texte meisterhaft und waren auch in den Nebenrollen äußerst präsent: Xenia Mai (9b) spielte Schwester Monika Stettler mit einer köstlichen Mischung aus Fürsorglichkeit und schmachtender Hingabe an Johann Wilhelm Möbius. Dessen Kinder Adolf-Friedrich (Sophie Nüschen, 7g), Wilfried-Kaspar (Marie Hohenacker, 6g) und Jörg-Lukas (Maja Lotz, 6g) nahmen den Verlust ihres Vaters mit kindlichem Langmut hin, Valentina Traut (6g), Magda Reischl (6a) und Sophie Nüschen räumten als robuste Pfleger Sievers, Murillo und McArthur rigoros auf, Jonas Lotz (7g) und Anima Janda (6g) entsorgten als Polizeibeamte eine Leiche nach der anderen und warteten ergeben und gelassen auf die Befehle ihres Vorgesetzten, Komissar Richard Voß, mit raffiniertem Gleichmut glänzend gespielt von Miriam Bauer (Q11).

Von der Maske bis zur Bühnentechnik: eine beeindruckende Teamleistung

Dass sich alle Schauspielerinnen und Schauspieler so gut in Szene setzen konnten, verdanken sie auch der hervorragenden Maske (Verena Echtler und Amelie Schleich, beide Q12), die die Figuren nicht nur in der Generalprobe, sondern Stunden vor den Aufführungen professionell schminkten und in herrlich überzeichnete, leicht groteske Dürrenmatt-Figuren verwandelten. Ein großer Dank gilt auch den Bühnentechnikern Jakob Ampßler (9c), Raphael Zengerle (9c) und Toni Riegel (7c), die Licht, Ton, Beamer und Computer allzeit im Griff hatten und für einen reibungslosen Ablauf sorgten. Zum Schluss sei aber vor allem denen gedankt, die dieses wunderbare Bühnenerlebnis erst möglich gemacht haben: den Theaterlehrkräften Ruth Cebulj, Bernhard Kühn und Michael Pöschmann, die nicht nur eine grandiose Inszenierung auf die Beine gestellt haben, sondern vor allem – trotz oder vielleicht gerade wegen Corona – ein so tolles Ensemble aus Schülerinnen und Schülern unterschiedlichster Jahrgangsstufen geformt haben, das uns durch seinen Teamgeist auf und neben der Bühne Dürrenmatts „17. Punkt zu den Physikern“ in vorbildlicher Form vorgelebt und vorgespielt hat: „Was alle angeht, können nur alle lösen.“

Thorsten Krebs

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