Gegen das Vergessen - Leo Hiemer  liest aus seinem Buch "Gabi - geboren im Allgäu, ermordet in Auschwitz"

Im Rahmen eines Projekttages zum „Schicksalstag der Deutschen“, dem neunten November, lud das Gymnasium Marktoberdorf am vergangenen Freitag den bekannten Filmregisseur Leo Hiemer (u.a. „Daheim sterben die Leut’“) in den Arthur-Groß-Saal ein. Der studierte Historiker las aus seinem Buch „Gabi (1937–1943): Geboren im Allgäu – ermordet in Auschwitz“.

Jahrzehntelange Recherchen zur Ermordung der kleinen Gabriele durch die NS-Tötungsmaschinerie

Das Schicksal der in Marktoberdorf geborenen Gabi Schwarz, der katholisch getauften Tochter einer Jüdin, bewegte die anwesenden Schülerinnen und Schüler der neunten Jahrgangsstufe sichtlich. Das Mädchen wurde im Alter von sechs Jahren von den Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Auschwitz verfrachtet und dort ermordet – allen Anstrengungen ihrer Mutter zum Trotz, der kleinen Tochter das grausame Los zu ersparen.

Hiemer stellte die Umstände des Lebens von Gabis Mutter ausführlich dar und gab ihrem verzweifelten Kampf um das Leben ihres Kindes viel Raum. Besonders wichtig war ihm auch, den Schülern anhand von Gabis tragischem Lebens die „ver-rückte Logik“ und die unmenschliche Perversion der nationalsozialistischen Rassenideologie nahezubringen. Der Autor machte an Gabis bedrückendem Schicksal aber auch deutlich, wie die öffentliche Verwaltung im „Dritten Reich“ zum willfährigen Rad im Getriebe einer Tötungsmaschine wurde, auch mit Billigung vieler Kirchenvertreter. Hiemer zufolge wurde die christliche Botschaft nicht selten verbogen, um der millionenfachen Tötung anderer Menschen weitgehend unbeteiligt zusehen zu können.

Gesprächsrunde mit sichtlich bewegten Schülern der 9. Jahrgangsstufe

In einer Fragerunde nach dem Vortrag gab der Autor den sichtlich berührten Schülern Einblick in seine Recherchen. Er offenbarte, dass ihn das Thema „Gabi“ schon sein halbes Leben lang beschäftige. Im Zuge seiner Nachforschungen sei er wieder und wieder auf neue Erkenntnisse gestoßen, die durchaus auch persönlicher Art sein konnten. So stammte Hiemers Mutter aus dem gleichen Dorf im Westallgäu, in dem Gabi Schwarz einige Jahre versteckt wurde.  Und eines Tages sei das Mädchen einfach verschwunden gewesen.

Reflexion über Unterschiede zwischen Buch und Film

Im Anschluss an die Lesung zeigte Hiemer seinen Spielfilm „Leni muss fort“ von 1993, der das Schicksal von Gabi Schwarz thematisiert. Obwohl der als „besonders wertvoll“ zertifizierte Film bereits 26 Jahre alt ist, verfehlte er seine Wirkung bei den Schülern nicht. Im Gespräch nach der Vorführung erläuterte Hiemer auf Nachfrage, inwiefern sich der Spielfilm von seinem Sachbuch unterscheidet: Um Gabis Geschichte auf Spielfilmlänge zu bringen, sei es beispielsweise nötig gewesen, bestimmte reale Personen im Drehbuch wegzulassen. Hiemer machte auch deutlich, dass er zum Zeitpunkt der Entstehung des Filmskripts viele Details aus Gabis Leben noch gar nicht kannte. 
Zum Abschluss der Veranstaltung dankte der stellvertretende Schulleiter Arne Böhler dem Autor für seinen Vortrag und überreichte ihm ein kleines Geschenk der Schulgemeinschaft. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein bekannter Autor und Künstler sich einen ganzen Vormittag Zeit nehme, um jungen Menschen Rede und Antwort zu stehen. Dass die Schüler von der Person Leo Hiemers und von seinem Vortrag beeindruckt waren, belegte ihr langer Abschiedsapplaus.

Arne Böhler